Putin zu Besuch bei Xi Jinping: Fünfte Amtszeit eingeläutet
Analyse
Putin zu Besuch bei Xi Jinping:Grenzenlose Freundschaft mit klaren Grenzen
von Miriam Steimer, Peking
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Die erste Reise seiner fünften Amtszeit führt Putin nach Peking. Vom Speise-Eis in Pekings Osten bis zur Sowjetunion: Wie steht es um das Verhältnis zwischen China und Russland?
Russlands Präsident Putin ist in Peking mit Chinas Staatschef Xi Jingping zusammengetroffen. Beide Länder wollen ihre strategische Partnerschaft vertiefen. 16.05.2024 | 1:29 min
Eine lebensgroße Matrjoschka mitten in Peking. Die berühmte russische Schachtelpuppe steht in der Nanluoguxiang, einer kleinen Gasse im Osten der Stadt, ein Geschäft reiht sich an das andere. Sie ist vor allem bei Touristen beliebt. In dem Laden mit der Matrjoschka vor der Tür verkaufen sie Nussknacker, Teeservices und russische Kekse.
Peng Chao führt eine Dienstreise in die Hauptstadt, er steht vor dem Eisschrank. "Nimm' das hier, das hat Putin auch schon mal probiert", sagt die Verkäuferin. Peng Chao folgt ihrer Empfehlung und ist zufrieden mit seinem Milch-Eis - genauso, wie mit der Beziehung seines Landes zu Russland: "Unsere Länder sind verbrüdert, wir verstehen uns gut." Was er sich von einem Besuch Putins in Peking erhofft? "China und Russland hatten immer eine stabile Beziehung, ich hoffe, das bleibt so und dass es noch besser wird", sagt er.
Fünf Fragen und Antworten zum Verhältnis zwischen China und Russland.
Trotz des Ukraine-Kriegs stehen viele Länder an Russlands Seite. Die ZDF-Korrespondenten wollen herausfinden, warum. Eine Spurensuche in China, Brasilien, Südafrika und Thailand.22.02.2023 | 62:37 min
1. Was für ein Signal senden Putin und Xi in die Welt?
Wenige Tage nachdem Wladimir Putin in Moskau den Beginn seiner fünften Amtszeit feierte, führt ihn seine erste Auslandsreise dieser Legislaturperiode nach Peking. Hier wird der Mann, der die meisten Länder meidet, weil der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hat, mit weit geöffneten Armen empfangen. "Nicht unbedingt, weil Peking Moskau als den besten Freund betrachtet, sondern weil es ein Partner ist, mit dem man eine sehr lange Grenze teilt", sagt Dr. Marina Rudyak, Sinologin an der Universität Heidelberg. Da kann es nicht schaden, einen guten Kommunikationskanal zu haben.
Die beiden Autokraten wollen ein Symbol der Einigkeit senden: So wie Russlands Angriff auf die Ukraine den Westen überraschend eng hat zusammenrücken lassen, so demonstrieren Xi und Putin, dass auch der Osten fest zusammensteht.
Xi Jinping hat Wladimir Putin bei dessen Besuch eine enge Zusammenarbeit zugesichert. Eine beständige Entwicklung der chinesisch-russischen Beziehungen sei nicht nur für beide Länder von Interesse, sondern trage auch zu Frieden, Stabilität und Wohlstand in der Region und der Welt bei, sagte Xi im Gespräch mit Putin, wie Staatsmedien berichteten. China wolle mit Russland daran arbeiten, dass die Länder gute Nachbarn blieben, die ihre nationale Entwicklung weiterverfolgten sowie Fairness und Gerechtigkeit in der Welt aufrechterhielten.
Xi gratulierte seinem "alten Freund", wie er Putin begrüßte, zu dessen fünfter Amtszeit und äußerte sich zuversichtlich, dass Russlands Entwicklung unter ihm "große Fortschritte" machen würde. Xi sagte, die China-Russland-Beziehungen seien stärker geworden und hätten den "Test einer sich international verändernden Landschaft" überstanden.
Quelle: dpa
2. Steht Peking fest an Moskaus Seite?
Peking steht in erster Linie fest an Pekings Seite. Doch auch die Beziehung zu Moskau ist sehr konstant, daran hat auch Putins Angriffskrieg nichts verändert. Zwar präsentiert sich Peking gerne als diplomatischer Vermittler und inszeniert sich als Friedensstifter - allerdings ohne konkrete Ansätze oder Vorschläge.
Putins Besuch fände in "Krisenzeiten" statt. Beide Länder würden sich abstimmen wollen, um "mit den westlichen Sanktionen umzugehen", so ZDF-Reporterin Elisabeth Schmidt.16.05.2024 | 3:14 min
Obwohl sich die offiziellen Äußerungen der chinesischen Regierung zu Russland nicht verändern, wird Putin zumindest in Chinas akademischen Kreisen durchaus kritisch gesehen. "Da zeigt sich, dass Russland als ein nicht sehr zuverlässiger Partner wahrgenommen wird", sagt China-Expertin Rudyak. Jede Art von Instabilität in Russland, zum Beispiel Putins unklare Kommunikation, ist eine potenzielle Gefahr für Peking.
Der Krieg gegen die Ukraine war für den Kanzler wichtigstes Thema beim Treffen mit Präsident Xi. Dabei sei sehr wenig rumgekommen, berichtet ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt. 16.04.2024 | 6:32 min
3. Profitiert Peking von Russlands Krieg?
Ja, vor allem wirtschaftlich. Peking nutzt die Lücken, die der Westen mit seinen Sanktionen hinterlässt und hat nahezu alle Güter substituiert, die Russland vorher aus dem Westen bekam - von Konsumgütern über Autos, bis zu Technologie.
Darunter auch viele Waren, die in die Kategorie "dual use" fallen: die also sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Peking liefert zwar nicht direkt Waffen an Moskau, testet aber die roten Linien des Westens, in dem es Moskaus Krieg und seine Logistik mit Technologie-Exporten unterstützt, wie Drohnenmotoren, optischen Sensoren oder Chemikalien zur Herstellung von Raketentreibstoff.
Nach Gesprächen zwischen Putin und Xi haben sich beide Länder nach Angaben Xi Jinpings für eine "politische Lösung" im Ukraine-Krieg ausgesprochen. "Beide Seiten sind sich einig, dass eine politische Lösung für die Krise in der Ukraine der richtige Weg ist", so Xi.
Chinas Position in dieser Frage sei "immer klar gewesen", sagte Xi in einem vom russischen Fernsehen ausgestrahlten Video. Diese Position umfasse "die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität aller Länder" sowie "die Achtung der berechtigten Sicherheitsbedenken aller Seiten".
China nimmt für sich in Anspruch, im Ukraine-Krieg eine neutrale Position einzunehmen. Peking wurde aber vom Westen für seine Weigerung kritisiert, seinen Verbündeten Russland für dessen Invasion in der Ukraine zu verurteilen.
Quelle: AFP
4. Was wünscht sich Peking für die Ukraine?
Peking hat kein Interesse daran, dass Russland in der Ukraine verliert. Das hat vor allem zwei Gründe: Putin ist zwar kein leichter Partner, aber ein Vertrauter. Potenzielle Nachfolger könnten für Peking weitaus schwieriger sein.
Außerdem ist es Peking ganz recht, dass der Westen seine Aufmerksamkeit gerade mehr auf die Ukraine richtet. "Es gibt die Befürchtung, dass wenn die Nato in der Ukraine gewinnt, China als Nächstes dran ist", sagt Rudyak. "Denn die Nato hat China als potenzielle Bedrohung im Asien-Pazifik-Raum identifiziert. Auch wenn das aus der europäischen Perspektive schwer nachvollziehbar ist, betrachtet China sich als ein nächstes potenzielles Ziel eines Stellvertreterkrieges der Nato".
Auf seiner China-Reise traf Bundeskanzler Olaf Scholz Chinas Präsident Xi Jinping. Hauptthemen waren faire Wettbewerbsbedingungen und eine mögliche Friedenslösung für die Ukraine.16.04.2024 | 2:57 min
5. Wie echt ist die "Freundschaft" zwischen Xi und Putin?
Vor der Kamera inszenieren Xi und Putin ihre Freundschaft gerne mit gemeinsamem Kochen, Geburtstagstorten oder schauen sich Eishockeyspiele an. Dass sie so eng ist, wie vor den Kameras inszeniert, daran gibt es Zweifel.
Was die beiden eint: Sie betrachten den Zerfall der Sowjetunion als größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts - etwas, was sich auf keinen Fall in ihren Großreichen wiederholen soll. Beide fühlen sich "vom Westen" ungerecht behandelt und streben eine Weltordnung an, in denen ihre Staaten auf Augenhöhe behandelt werden. Peking betont die "Partnerschaft" oder "Freundschaft" mit Moskau auch im Unterschied zu einer "Allianz": "Allianzen ziehen füreinander in den Krieg", macht Rudyak den Unterschied klar. "Da ist Peking sehr bemüht zu sagen: Das wird nicht passieren."
Miriam Steimer ist Studioleiterin und Korrespondentin im ZDF-Studio Ostasien in Peking.
Nach dem Besuch von Scholz in Peking analysiert Politikwissenschaftler Heilmann Chinas Rolle im Ukraine-Krieg. Er erklärt, warum China eng an der Seite Russlands steht.